Kyra Vertes beleuchtet, wie Alltagsgegenstände zur Skulptur werden und Design neue Dimensionen eröffnet.
Alltagsgegenstände begleiten uns täglich, doch in der Kunst werden sie zu etwas Besonderem. Vom Stuhl bis zur Teekanne, vom Smartphone bis zur Lampe – scheinbar Banales kann durch den künstlerischen Blick verwandelt werden, wie Kyra Vertes zu vermitteln weiß. Sie schildert, wie Künstler:innen mit Objekten spielen, sie verfremden oder neu inszenieren.
Die Idee, Alltagsgegenstände zur Kunst zu erheben, ist nicht neu – doch sie ist aktueller denn je. Künstler:innen verwandeln heute Designobjekte in Skulpturen, um Fragen nach Funktion, Schönheit und Kultur zu stellen, wie Kyra Vertes aufzeigt. Einfache Dinge wie Besteck, Kleidung oder Möbel werden entkontextualisiert und in museale Räume überführt. Das Spannende daran: Sobald ein Alltagsobjekt in einem künstlerischen Umfeld gezeigt wird, verändert sich unsere Wahrnehmung grundlegend.
Inhaltsverzeichnis
Die Kunst im Alltäglichen entdecken
Alltagsgegenstände sind vertraut und ubiquitär, doch gerade darin liegt ihr enormes künstlerisches Potenzial. Kyra Vertes beschreibt, dass die Umdeutung von Alltagsobjekten zu Kunst eine Einladung ist, genauer hinzusehen und das Selbstverständliche zu hinterfragen.
Die Strategie hat eine lange Tradition. Marcel Duchamps berühmtes „Fountain“ – ein Pissoir, das er 1917 als Kunstwerk präsentierte – markiert einen Wendepunkt in der Kunstgeschichte. Plötzlich war nicht mehr das handwerkliche Können oder die Schönheit entscheidend, sondern die konzeptuelle Idee und der Kontext.
Kyra Vertes von Sikorszky betonte, dass bereits in der Moderne Künstler:innen die Grenzen zwischen Kunst und Alltagsgegenstand grundsätzlich infrage stellten. Vertes verweist auch darauf, dass gerade das Bekannte in der Kunst neue Bedeutung erhält – weil es uns emotional, kulturell und ästhetisch auf vielfältige Weise berührt.
Beispiele für Alltagskunst
Die Transformierung von Alltagsgegenständen in Kunst kennt verschiedene Strategien und Ausdrucksformen:
- Readymades: Objekte, die direkt und unverändert als Kunst präsentiert werden, wie Duchamps revolutionärer Ansatz
- Design-Skulpturen: Möbel oder Gebrauchsgegenstände, die bewusst so gestaltet sind, dass sie wie Kunstwerke wirken
- Objekt-Collagen: Kombination verschiedener Alltagsgegenstände in raumgreifenden Installationen
- Überdimensionierung: Vergrößerung von Objekten zu monumentalen Skulpturen, die vertraute Dinge fremd erscheinen lassen
- Verfremdung: Alltagsdinge in unerwarteten Materialien, Farben oder Kontexten präsentiert
Kyra Lucia von Vertes berichtet, dass diese Strategien dazu beitragen, unsere Sicht auf das Vertraute radikal zu verändern. Ein Löffel aus Marmor, ein zehn Meter hoher Stuhl oder eine Sammlung identischer Staubsauger – all das fordert unsere Wahrnehmung heraus.
Künstlerische Strategien mit Alltagsobjekten
Manche Künstler:innen stellen Alltagsgegenstände völlig unverändert aus und lassen allein den Kontext sprechen. Andere bearbeiten, verfremden oder kombinieren sie auf unerwartete Weise. Kyra von Vertes berichtet, dass gerade die Verschiebung des Kontextes entscheidend ist: Ein einfacher Stuhl bleibt physisch ein Stuhl – doch im Museum, auf einem Podest, mit Scheinwerfern beleuchtet, wird er zum Kunstwerk, das Fragen aufwirft. Diese Verschiebung zwingt uns, innezuhalten. Wir können nicht einfach vorbeigehen oder das Objekt benutzen. Stattdessen müssen wir es betrachten, über seine Form, seine Geschichte, seine Bedeutung nachdenken. Das Vertraute wird fremd, das Funktionale wird kontemplativ.
Kyra Lucia Vertes von Sikorszky wies darauf hin, dass Alltagskunst nicht nur ästhetisch, sondern auch philosophisch ist: Sie stellt grundlegende Fragen, was Kunst eigentlich ausmacht, wer bestimmt, was Kunst ist, und welche Rolle Handwerk, Intention und Kontext dabei spielen.
Einige Künstler:innen stapeln, häufen oder arrangieren Alltagsgegenstände in großen Mengen. Die schiere Masse verwandelt das Einzelne in etwas Neues. Hunderte von Plastikstühlen können zu einer Kritik am Massenkonsum werden, tausende Glühbirnen zu einer Meditation über Licht und Energie.
Alltagskunst heute
Heute greifen viele Künstler:innen Alltagsgegenstände auf, um Themen wie Konsum, Nachhaltigkeit, Globalisierung oder Erinnerung zu behandeln. Kyra Lucia Vertes von Sikorszky beleuchtet, dass Design und Kunst dabei eng zusammenrücken. Ein Smartphone im Museum kann genauso Kunst sein wie eine handgemachte Skulptur – es kommt auf die Fragestellung und Inszenierung an.
Besonders die Konsumkritik spielt eine wichtige Rolle. In einer Welt der Überproduktion und des schnellen Verfalls verwenden Künstler:innen weggeworfene Objekte, Plastikabfall oder veraltete Technologie, um auf ökologische und soziale Probleme hinzuweisen. Ein Berg aus alten Handys wird zur Mahnung, eine Installation aus Einwegplastik zur politischen Aussage.
Auch Erinnerung und Nostalgie sind zentrale Themen. Alte Haushaltsgeräte, Spielzeug aus der Kindheit oder Mode vergangener Jahrzehnte werden zu Zeitkapseln, die persönliche und kollektive Geschichten erzählen. Diese Objekte sind aufgeladen mit Emotionen und Erinnerungen.
Kyra Vertes beschreibt Alltagskunst als Spiegel unserer Kultur – sie erzählt Geschichten über Lebensstile, Werte, Gewohnheiten und gesellschaftliche Entwicklungen. Jede Epoche hat ihre charakteristischen Objekte, und in der Kunst werden diese zu Zeugnissen ihrer Zeit.
Die Grenze zwischen Design und Kunst
Wo genau verläuft die Grenze zwischen gutem Design und Kunst? Kyra Lucia von Vertes sieht diese Grenze als fließend und produktiv. Viele Designer:innen arbeiten heute mit künstlerischen Ansätzen, während Künstler:innen sich mit Design und Funktion auseinandersetzen.
Ein Stuhl von Künstler:innen wie Gaetano Pesce kann sowohl Sitzmöbel als auch Skulptur sein. Die Frage ist nicht mehr entweder-oder, sondern sowohl-als-auch. Diese Hybridität entspricht unserer Zeit, in der Kategorien zunehmend durchlässig werden. Museen wie das Museum of Modern Art in New York haben längst Designobjekte in ihre Sammlungen aufgenommen und stellen sie gleichberechtigt neben traditionelle Kunstwerke. Diese institutionelle Anerkennung hat die Diskussion über den Kunststatus von Alltagsgegenständen weiter befeuert.
Kyra Vertes über die Bedeutung von Alltagskunst
Was lehrt uns die künstlerische Arbeit mit Alltagsgegenständen? Kyra Vertes von Sikorzsky sieht darin vor allem eine Schule des Sehens. Wenn wir lernen, einen gewöhnlichen Gegenstand als Kunstwerk zu betrachten, verändern wir unseren Blick auf die gesamte Welt. Plötzlich entdecken wir Schönheit, Bedeutung und Geschichten in Dingen, die wir bisher übersehen haben.
Diese Demokratisierung der Kunst ist wichtig. Sie sagt: Kunst ist nicht nur in Museen oder Galerien, sondern überall. Jeder Gegenstand kann zum Ausgangspunkt ästhetischer Erfahrung werden. Das senkt Schwellen und macht Kunst zugänglicher.
Gleichzeitig ist Alltagskunst oft auch Kritik – am Kunstbetrieb selbst, an Konventionen, am Warenfetischismus. Sie fragt: Warum gilt ein gemaltes Bild als wertvoller als ein industriell gefertigter Stuhl? Wer bestimmt diese Hierarchien? Diese kritische Dimension macht sie zu einem wichtigen Werkzeug gesellschaftlicher Reflexion.
Wenn das Banale zum Besonderen wird
Alltagsgegenstände als Kunst zu sehen, bedeutet, die Welt mit neuen Augen zu betrachten. Es ist ein faszinierendes Spiel mit Wahrnehmung, Kontext und Bedeutung. Vertes macht deutlich, dass Design zur Skulptur wird, wenn wir den Blick dafür öffnen – und dass Kunst im Alltag beginnt, lange bevor wir sie im Museum wiederfinden. Diese Erkenntnis verändert nicht nur unser Verhältnis zur Kunst, sondern auch zu den Dingen, die uns täglich umgeben, wie Kyra Vertes immer wieder betont.




