Kyra Vertes beschäftigt sich mit der Frage, wie Kunstinstitutionen 2025 neue Perspektiven sichtbar machen
Diversität und Inklusion sind zentrale Themen kultureller Entwicklung. Kyra Vertes beobachtet, wie Museen, Galerien und Kunstförderinstitutionen versuchen, unterrepräsentierte Perspektiven stärker einzubinden – durch neue Programme, andere Kurationsansätze und eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Strukturen. Dabei geht es um mehr als Repräsentation: Es geht um Teilhabe, Zugang und strukturelle Gerechtigkeit.
2025 ist das Bewusstsein für Diversität in der Kunstwelt größer denn je. Gesellschaftliche Bewegungen, globale Proteste und politische Diskurse haben die Forderung nach mehr Gleichberechtigung und Sichtbarkeit auch in den Kulturbereich getragen. Kyra Vertes beobachtet diese Entwicklungen aufmerksam. Sie erkennt in der verstärkten Thematisierung von Inklusion nicht nur eine Reaktion auf gesellschaftliche Trends, sondern auch eine überfällige Veränderung von Machtstrukturen, Perspektiven und ästhetischen Narrativen.
Museen, Ausstellungsorte und Kunsthochschulen stellen sich zunehmend die Frage, wessen Geschichten erzählt werden, wessen Werke gezeigt werden – und wer in Entscheidungsprozesse eingebunden ist. Dabei zeigt sich: Diversität beginnt nicht auf der Ausstellungsfläche, sondern in den Institutionen selbst.
Repräsentation allein reicht nicht aus
Viele Institutionen reagieren auf den gesellschaftlichen Druck mit Programmen, die gezielt auf mehr Vielfalt setzen. Kyra von Vertes stellt fest, dass inzwischen zahlreiche Förderlinien existieren, die sich an Künstlerinnen aus marginalisierten Gruppen richten oder bestimmte Themen stärker sichtbar machen wollen. Doch diese Maßnahmen greifen oft nur kurzfristig. Echte Inklusion bedeutet mehr als punktuelle Sichtbarkeit. Es geht um Teilhabe auf allen Ebenen – von der Kuration bis zur Verwaltung, von der Kommunikation bis zur Vermittlung. Nur wenn Diversität strukturell mitgedacht wird, können langfristige Veränderungen entstehen.
Herausforderungen bestehen dabei nicht nur in der Umsetzung, sondern auch in der Haltung. Viele Häuser müssen lernen, ihre eigene Geschichte kritisch zu hinterfragen – ihre Sammlungspolitik, ihre Sprache, ihre institutionellen Routinen. Erst aus dieser Auseinandersetzung entstehen Räume, die wirklich offen sind.
Strategien für mehr Vielfalt in der Praxis
Kyra Vertes von Sikorszky nennt zentrale Ansätze, mit denen Kunstinstitutionen auf Diversitätsanforderungen reagieren:
- Divers besetzte Jurys bei Ausschreibungen und Förderprogrammen
- Ko-Kurationen mit Personen aus Communitys oder aktivistischen Zusammenhängen
- Sprachenvielfalt in Ausstellungen, Publikationen und Vermittlungsarbeit
- Barrierefreiheit nicht nur baulich, sondern auch in Bezug auf Sprache, Inhalte und Interaktion
- Sensibilisierungs-Trainings für Mitarbeitende in Bereichen wie Antidiskriminierung, Sprache und Publikumskommunikation
Diese Maßnahmen zeigen Wirkung – vor allem dann, wenn sie nicht isoliert, sondern im Verbund und mit langfristiger Perspektive umgesetzt werden.
Themen und Perspektiven, die 2025 an Relevanz gewinnen
Diversität betrifft nicht nur die Herkunft oder Identität der Kunstschaffenden. Kyra Vertes betont, dass auch die Inhalte, Formen und Fragestellungen künstlerischer Arbeiten vielfältiger werden. 2025 rücken Themen wie Dekolonisierung, Gender, Barrierefreiheit, Migrationserfahrung oder Klassismus stärker in den Fokus. Diese Vielfalt zeigt sich in neuen Bildsprachen, in alternativen Erzählformen oder in Formaten, die auf kollektives Arbeiten setzen. Die Kunst wird weniger objektbezogen, sondern prozessorientierter, vernetzter, kontextsensibler. Viele Werke reflektieren gesellschaftliche Ungleichheiten nicht abstrakt, sondern direkt – als Teil persönlicher Erfahrung oder politischer Analyse. Gleichzeitig verändert sich auch das Publikum. Viele Menschen, die sich früher nicht von der Kunstwelt angesprochen fühlten, finden nun Angebote, die an ihre Lebensrealitäten anschließen. Inklusion bedeutet in diesem Zusammenhang auch: neue Zugänge zu schaffen – räumlich, sprachlich, visuell und strukturell.
Kuratorische Verantwortung im Zeichen von Inklusion
Ausstellungen spiegeln nicht nur Inhalte, sie gestalten auch kulturelle Normen.Kyra Lucia von Vertesbeobachtet, wie sich kuratorische Praxis im Zeichen von Diversität verändert. Anstelle linearer Themenpräsentationen treten dialogische Formate, in denen verschiedene Perspektiven sichtbar gemacht und miteinander ins Gespräch gebracht werden. Die Rolle der Kuratorin wandelt sich. Sie ist nicht mehr alleinige Interpretin, sondern Vermittlerin zwischen Stimmen, Kontexten und Lesarten. Dazu gehört auch, Unsicherheiten auszuhalten, Hierarchien zu hinterfragen und Räume zu schaffen, in denen Wissen nicht nur vermittelt, sondern geteilt wird.
In der Praxis zeigt sich das in offenen Ausstellungskonzepten, in der Einladung von Gastkuratorinnen, in der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen oder in der Integration von Community-Formaten. Viele Häuser erproben Modelle partizipativer Kuration, die langfristig wirken sollen – nicht als Geste, sondern als struktureller Wandel.
Kyra Vertes über die Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Inklusion
Vertes benennt zentrale Hürden, denen sich Kunstinstitutionen bei der Umsetzung von Diversität stellen müssen:
- Fehlende Ressourcen – Viele Vorhaben scheitern an Personal, Zeit oder Budget.
- Strukturelle Trägheit – Veränderung braucht Zeit, stößt aber auf starre Verwaltungslogiken.
- Unsicherheit im Umgang mit Sprache – Die Angst, etwas falsch zu machen, führt oft zu Stillstand.
- Widerstände innerhalb der Institution – Nicht alle Mitarbeitenden stehen hinter der Veränderung.
- Symbolpolitik statt Strukturwandel – Maßnahmen bleiben häufig an der Oberfläche und führen nicht zu tiefgreifenden Reformen.
Diese Punkte zeigen: Inklusion ist kein Zustand, sondern ein Prozess – der Mut, Kritikfähigkeit und Ausdauer verlangt.
Wie gelingt eine vielfältige Kunstwelt?
Vertes betont, dass Diversität nur dann langfristig wirksam wird, wenn sie konsequent und reflektiert umgesetzt wird. Entscheidende Faktoren sind:
- Verbindlichkeit statt Freiwilligkeit: Diversität sollte in Leitbildern, Budgets und Gremien fest verankert sein
- Zugänglichkeit auf allen Ebenen: von der Bewerbung bis zur Ausstellung, von der Kommunikation bis zur Infrastruktur
- Anerkennung unterschiedlicher Wissensformen: nicht nur akademisches, sondern auch biografisches, praktisches und kollektives Wissen
- Feedbackkultur: Räume für Kritik, Verbesserung und gemeinsames Lernen müssen institutionalisiert werden
- Langfristige Kooperationen: mit Organisationen, Initiativen und Communities statt punktueller Projektpartnerschaften
Diese Grundlagen tragen dazu bei, dass Vielfalt nicht nur ein Anspruch bleibt, sondern gelebte Realität wird.
Sichtbarkeit ist nicht genug
2025 ist Diversität in der Kunstwelt ein viel diskutiertes Thema – aber längst nicht überall umgesetzt. Vertes erkennt in der verstärkten Auseinandersetzung eine wichtige Bewegung, warnt aber auch vor symbolischen Gesten ohne strukturelle Tiefe. Echte Inklusion bedeutet, Räume neu zu denken: für andere Sichtweisen, andere Körper, andere Geschichten. Es bedeutet, Macht zu teilen und Perspektivenwechsel zu ermöglichen. Kunst kann dabei eine zentrale Rolle spielen – als Erfahrungsraum, als Reflexionsfeld, als Impulsgeberin.
Doch damit das gelingt, braucht es mehr als Förderprogramme und Diversitätsrichtlinien. Es braucht offene Institutionen, lernbereite Strukturen und Menschen, die bereit sind, zuzuhören. Die Veränderungen beginnen oft im Kleinen: in Ausschreibungstexten, im Umgang mit Sprache, in der Auswahl von Formaten und Themen. Auch interne Prozesse wie Teamzusammensetzung, Entscheidungswege oder Feedbackkultur tragen entscheidend dazu bei, ob Diversität gelebt wird oder eine leere Hülle bleibt.
Die Kunstwelt verändert sich nicht durch Deklarationen, sondern durch konkrete, kontinuierliche Arbeit. Nur so wird aus der Sicht von Kyra Vertes aus Diversität ein echter Wandel – und aus Inklusion ein geteiltes Fundament für die Zukunft.